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Die Personaldienstleistungsbranche wird 2024 im Zeichen der Wachsamkeit und Transformation stehen

Melanie Junglas-Mummert in der aktuellen Ausgabe Blickpunkt Dienstleistung - Fachzeitschrift der Personaldienstleister auf die Frage : „Hat das Jahr 2023 Ihre Erwartungen erfüllt und was wird das Jahr 2024 für die Zeitarbeit bringen?“

Das Jahr 2023 stand im Zeichen si­gnifikanter Herausforderungen und Veränderungen, die sich auch auf das Jahr 2024 auswirken werden. Diese Entwicklungen betreffen nicht nur die allgemeine Wirtschaft, son­dern haben auch spezifischen Im­pact für die Personaldienstleistungsbranche. Gleich zu Beginn: Die Gründung des Gesamtverbands der Personaldienstleister Ende 2023 war ein wichtiger Schritt, um die Interessen der Branche auf politischer und ge­werkschaftlicher Bühne zu vertreten und auf die Gestaltung von Arbeits­bedingungen Einfluss zu nehmen.

Tarifliche Änderungen

Neben den „gewöhnlichen“ tarifli­chen Änderungen wurde die ur­sprünglich für Arbeitgeber als frei­willige Möglichkeit gedachte Inflationsausgleichsprämie für die PDL als verpflichtende Leistung definiert, sofern der Einsatzbetrieb diese ge­währt hat. Die operative Umsetzung bei BZ-pflichtigen Einsätzen ist kompliziert und bis kurz vor knapp nicht hundertprozentig klar, das Ver­ständnis der Kundenbetriebe bezüg­lich der zusätzlich zu leistenden Zahlungen sehr geteilt. Für viele Kundenbetriebe ist die zusätzliche Belastung in Ordnung, einige ver­weigern sich jedoch völlig. Hier blei­ben die PDL auf den zuvor nicht im Preis einkalkulierten Kosten sitzen oder riskieren die Kundenbezie­hung, wenn sie auf die Berechnung bestehen. Wir sind gespannt, wie sich die Umsetzung und insbeson­dere Akzeptanz ab Januar in der Praxis darstellt.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die Erhöhung der Zinsen durch die Zentralbanken und eine restriktive Wirtschaftspolitik führten zu höheren Finanzierungskosten und einer Verlangsamung des Wirtschafts­wachstums, sogar zu einer Schrumpfung der Wirtschaftsleis­tung. Weiter anwachsende Bürokra­tie, eine wirtschaftsunfreundliche Energiepolitik, geopolitische Span­nungen, insbesondere der Krieg in der Ukraine und der Israel-Paläs­tina-Konflikt, trugen zusätzlich zu ei­ner allgemeinen Marktunsicherheit bei. Diese Faktoren hatten einen dämpfenden Effekt auf die Konjunk­tur in 2023 und werden voraussicht­lich auch 2024 spürbar sein. Insbe­sondere der Bausektor und alle da­von abhängigen Unternehmen, so­wie der Maschinenbau leiden unter leeren Auftragsbüchern und fehlen­der Investitionsbereitschaft. Wir er­halten vermehrt Kündigungen der Kreditversicherer für Forderungs­ausfälle und beklagen leider einige Insolvenzen von langjährigen Kun­denbetrieben.

Arbeitskräfte- und Fachkräftezu­wanderung

Ein wichtiger Aspekt für die Zukunft insbesondere mit Blick auf die de­mographischen Daten ist die Ar­beitskräfte- und Fachkräftezuwan­derung. Die Babyboomer-Jahrgän-ge gehen aktuell und innerhalb der nächsten 10 Jahre in Ruhestand, KI wird den Arbeitsmarkt zwar in Teilen revolutionieren, aber nicht für alle offenen Stellen ein adäquater Mitar­beiterersatz sein können. So wird in vielen Branchen die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zuneh­mend wichtiger, nach aktuellen Schätzungen benötigen wir hierzu­lande deutlich über 400.000 pro Jahr! Personaldienstleister spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie internationale Talente akquirieren und in den lokalen Arbeitsmarkt in­tegrieren. Dies erfordert jedoch auch eine Anpassung an die unter­schiedlichen kulturellen und berufli­chen Hintergründe der Arbeitskräfte und einen enormen Mehraufwand. Die Branche ist bereit, diesen zu leisten, benötigt aber politische Un­terstützung und angepasste gesetz­liche Rahmenbedingungen, wie den Wegfall von §40 Aufenthaltsgesetz, der die Anwerbung von Arbeitskräf­ten aus Drittstaaten für PDL-Unternehmen verbietet. Der Zugang zu Fördermitteln, wie sie jede andere Branche für die Integration von Ar­beitskräften mit „Vermittlungs­hemmnissen“ erhält, sollte auch uns nicht verwehrt oder erschwert wer­den, wie es leider vielerorts bei den zuständigen Behörden noch ist.

Verlagerung von Produktionsbe­reichen ins Ausland

Ein weiterer Trend, der auch die Branche beeinflusst, ist die Verlage­rung von Produktionsbereichen ins Ausland. Die weitere Anhebung von Tarif- und Mindestlöhnen und die geplante drastische Erhöhung von Bürgergeld, die den Anreiz im Nied-riglohnsektor zu arbeiten quasi aus-hebelt, befeuert diese traurige Ent­wicklung. Selbst sonst mit der Heimat traditionell tief verbundene Familienunternehmen, entscheiden sich angesichts wachsendem internationalem Wettbewerbsdruck, niedrigeren Energiekosten und gesi­cherter Energieverfügbarkeit, gerin­gerer Löhne und Lohnnebenkosten und insgesamt günstigerer Rah­menbedingungen für diese Verlage­rung ins Ausland.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Zurückhaltung bei Investitionen wird sich auch Anfang des neuen Jahres bemerkbar machen, die Zin­sentwicklung nach unten und eine aktuell starke Börse stimmen vor­sichtig optimistisch, was die kon­junkturelle Lage insgesamt betrifft. Für die Personaldienstleistungs-branche wird 2024 im Zeichen der Wachsamkeit und Transformation stehen. Die Herausforderungen um­fassen die weiterhin erforderlichen Anpassungen an eine unsichere Wirtschaftslage, die Verwaltung von Arbeitsverhältnissen unter komple­xen gesetzlichen und tariflichen Vor­gaben, die intensive Nutzung von KI und konsequenter Digitalisierung von Prozessen, ohne das „Mensch­liche Miteinander“ zu verlieren. Gleichzeitig bieten sich Chancen durch eine verstärkte Nachfrage nach flexiblen Arbeitsmodellen und die Vermittlung internationaler Fach­kräfte.

Personaldienstleister sind gefordert, agil zu bleiben und sich als unverzichtbare Partner in der sich wandelnden Arbeitswelt zu po­sitionieren.

 

Artikel erschienen in "Blickpunkt Dienstleistung - Zeitarbeitreport- Fachzeitschrift für Personaldienstleister" Ausgabe 12/2023